so sagte es der Erzbischof von Mailand, Kardinal Martini.
Vielleicht ist das größte und schwierigste Geheimnis der Kirche wirklich Karfreitag. Denn dieser Tag ist ein einziges Drama, dass schwer fällt, es überhaupt zu glauben und das es schwer macht, an diesem Glauben nicht zu zerbrechen.
Manches ist wie ein Brennglas. Der Ort, der so nah bei der Stadt lag, dass jeder leicht hingehen konnte. Die Menschen die mitgingen, obwohl sie lieber nicht dabei gewesen wären – seine Mutter und ihre Schwester. Die eine und auch die andere Maria. Und die Menschen, die mitgingen, weil sie unbedingt dabei sein wollten.
Es war nah an der Stadt, so dass jeder mitgehen konnte, jeder dabei sein, jeder diese Bilder sehen konnte, was so schwer zu glauben ist.
Er hängt am Balken. Sein Kopf ist auf die Brust gesunken. Das Blut ist mittlerweile verkrustet, er ist fast nackt. Das machen sie so, um zu zeigen, dass sie alles mit einem Menschen machen können. Alles was sie wollen.
Sie traute sich nicht heran, blieb in einiger Entfernung stehen. Aber zu gehen, das war ihr unmöglich. Als ob ihre Füße festgenagelt waren. Sie konnte nicht gehen, nicht weinen, nicht bleiben. Sie konnte nur sein und versuchen den Schmerz zu überleben. Es ist zu gefährlich, haben die anderen gesagt und Maria weiß, dass sie Recht haben. Also bleibt sie und tut nichts.
Die Männer sind gegangen. Maria weiß, dass sie Angst haben. Sie haben Angst zuzusehen, wie er stirbt. Sie können vieles tun, aber hierbleiben – das macht sie hilflos. Und damit können sie nicht umgehen, wissen nicht wohin mit ihren Händen, mit ihren Worten, mit ihrem Schmerz. Also gehen sie.
Aber Maria ist geblieben. Und die andere Maria. Klageweiber. Aber klagen konnte sie nicht. Wie auch. Sie war wütend, so unendlich wütend. Dabei konnte sie nicht einmal sagen, warum.
Auf die Mächtigen, die ihm, Jesus das antaten? - Gegen die Jünger, die einfach nicht da waren?
Gegen sich selber, die ihn nicht hatte abhalten können, weiterzumachen? - Gegen die Menge, die „Kreuzigt ihn!“ geschrieben hatte??
Sie weiß, die anderen denken, sie sei seine Geliebte gewesen. Und dass sie die Nähe zwischen ihnen nicht verstanden haben. Ja, sie liebte ihn, so sehr, dass sie manchmal am ganzen Körper zitterte. Aber als Mann wollte sie ihn nie.
Sie liebte es, mit ihm zu reden, oft die ganze Nacht hindurch. Es war so viel mehr zwischen ihnen als Liebe. Es war das Größte und Aufregendste, dass sie ihrem Leben gehörte. Sie hatte auch nie versucht, es den anderen zu erklären – wozu auch!
Jetzt kann sie nicht anders, sie muss jeden Schritt mitgehen. Dabei weiß sie, dass er nicht mehr da drin ist, in diesem zerschundenen Körper.
Wie gern würde sie die Bilder vergessen. Sie kann nicht verstehen, ist fassungs-los, hat keinen Rahmen, in den sie das alles einordnen kann.
Gestern noch das Passahmahl. Gestern noch Perspektiven, Hoffnungen, Diskussionen.
Und heute ist das alles so lächerlich weggewischt und zusammengebrochen, so erbärmlich vorgeführt von den Mächtigen, so ein – Nichts. Was kann sie tun?
Von unserem Tun ist nicht zu reden an Karfreitag. Vielleicht ist das die schwerste Lektion von Karfreitag. Standhalten – nicht gleich wieder etwas darüber legen. Über den Schmerz, sondern einfach aushalten. Und da sein.
Vielleicht ist dass das größte Geheimnis von Karfreitag.
(Birgit Eilts)
Gebet:
Gott, wenn wir es manchmal vorher wüssten.
Es wüssten, oder zumindest ahnten, dass etwas das letzte Mal ist.
Wüssten, was wir richtig oder falsch machen. Was wir schuldig geblieben sind oder nicht.
Ein letzter Gruß, eine letzte Feier, ein letzter Kuss.
Das letzte Mal deine Hand berührt, das letzte Mal eine Umarmung.
Wenn wir es manchmal wüssten, Gott.
Würden wir dann etwas ändern?
Passionsgeschichte nach Johannes 19, 16-20.25-31 (Übersetzung: Hoffnung für Alle)
16 Da gab Pilatus nach und befahl, Jesus zu kreuzigen.
17 Sein Kreuz trug er selbst aus der Stadt hinaus zu dem Ort, der »Schädelstätte« genannt wird, auf Hebräisch »Golgatha«.
18 Dort nagelten sie ihn ans Kreuz. Mit ihm wurden noch zwei andere Männer gekreuzigt, der eine rechts und der andere links von ihm. Jesus hing in der Mitte.
19 Pilatus ließ ein Schild am Kreuz anbringen, auf dem die Worte standen: »Jesus aus Nazareth, der König der Juden«.
20 Die Stelle, an der Jesus gekreuzigt worden war, lag nahe bei der Stadt.
25 Bei dem Kreuz, an dem Jesus hing, standen seine Mutter und ihre Schwester, außerdem Maria, die Frau von Kleopas, und Maria aus Magdala.
26 Als Jesus nun seine Mutter sah und neben ihr den Jünger, den er sehr lieb hatte, sagte er zu ihr: »Das ist jetzt dein Sohn!«
27 Und zu dem Jünger sagte er: »Sie ist jetzt deine Mutter.« Von da an nahm der Jünger sie zu sich in sein Haus.
28 Jesus wusste, dass nun sein Auftrag erfüllt war. Doch die Vorhersage der Heiligen Schrift sollte voll und ganz in Erfüllung gehen, darum sagte er: »Ich habe Durst!«
29 In der Nähe stand ein Krug mit Essigwasser. Die Soldaten tauchten einen Schwamm hinein, steckten ihn auf einen langen (Ysop)-Stab und hielten Jesus den Schwamm an den Mund.
30 Nachdem Jesus ein wenig davon probiert hatte, rief er: »Es ist vollbracht!« Dann ließ er den Kopf sinken und starb.
31 Das alles geschah am Tag vor dem Passahfest, das in diesem Jahr auf einen Sabbat fiel.
