Die Stiftung Ökumenisches Lernen engagiert sich in vielfältigen Projekten, die junge Menschen in ihrer interkulturellen und persönlichen Entwicklung fördern. Jan Klampe aus St. Lukas war dabei und berichtet von seinen Erlebnissen und Erfahrungen. Im Zentrum stand hierbei das vierjährige Stipendienprogramm, das mit einem Auslandsaufenthalt in verschiedenen Partnerländern wie Israel, Japan, England oder Tansania abschließt.
Aber lesen Sie selbst:
Als ich Ende der 10. Klasse mit einer Mitschülerin meine Klausurersatzleistung bei meiner damaligen Religionslehrerin abgab, fragte sie uns, ob wir uns nicht mit der Ersatzleitung auf ein Stipendium bei der Stiftung Ökumenisches Lernen bewerben wollen. Ehrlich gesagt hatte ich mich weder mit der Organisation, die das Stipendium ausgab, noch mit den Inhalten des Stipendiums auseinander gesetzt. Das Einzige, was ich wusste, war, dass ich womöglich nach dem Abitur ein finanziertes Auslandsjahr erhalten könnte.
4 Jahre später kann ich sagen, dass diese Blindbewerbung eine meiner besten Entscheidungen soweit war. Ich wurde zu einem Auswahlseminar eingeladen, wo ich meine Ersatzleistung aus dem Religionsunterricht vorstellen musste. Man muss an dieser Stelle anmerken, dass ich das Glück hatte, dass meine Religionslehrerin auch mit der Stiftung im Ausland war, als sie die Schule beendet hatte. Normalerweise wird das Projekt, oder wie in meinem Fall die Klausurersatzleistung, nicht in der Schule sondern privat angefertigt.
Ich erhielt das Stipendium bei der Stiftung Ökumenisches Lernen und somit auch den finanzierten Auslandsaufenthalt. Die nächsten 3 Jahre waren quasi eine Art Vorbereitungszeit auf mein Auslandsjahr. Die anderen StipendiatInnen und ich haben gemeinsame Reisen unternommen und Seminare miteinander verbracht, um uns als Gruppe kennenzulernen, aber auch um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es sich wohlmöglich anfühlt mehr auf sich alleine gestellt zu sein. Zu meinen besten Erinnerungen gehört unser Trip nach Warschau, der im Kontext einer trinationalen Begegnung mit Jugendlichen aus Polen und der Ukraine statt gefunden hat.
Mein eigentlicher Auslandsaufenthalt begann im September 2023 im Norden Englands in Blackpool. Blackpool war bis in die 1960er Jahre ein beliebtes Touristenziel, durch die Badestrände und Freizeitparks. Blackpools Popularität ließ aber mit der Zeit nach und gehört jetzt mit zu den ärmsten Regionen in ganz England. Mögliche andere Auslandsaufenthalte waren u.a. in Frankreich, Tansania, Namibia, Israel und Japan, wobei sich das Angebot an Orten über die Zeit auch ändern kann.
Wie auch bei allen anderen Orten, die die Stiftung den StipendiatInnen zur Auswahl gibt, war auch meine Stelle mit Freiwilligenarbeit gekoppelt. Passend zu dem wirtschaftlichen Hintergrund Blackpools, habe ich bei der Hilfsorganisation "Streetlife" gearbeitet. "Streetlife" arbeitet mit obdachlosen und hilfebedürftigen Jugendlichen im Alter von 16-25 zusammen. Tagsüber können die Jugendlichen in die "base" kommen, welche man sich ein bisschen wie ein Jugendzentrum vorstellen kann. Es werden eine warme Mahlzeit, eine gemeinsame Aktivität und bei Bedarf auch Einzelgespräche angeboten. Bei den Gesprächen hilft "Streetlife" zum Beispiel bei der Wohnungssuche, offizielle Dokumente zu beantragen oder gibt den Jugendlichen einen offenes Ohr, wenn ihnen etwas auf dem Herzen liegt. Des Weiteren gibt es ein "shelter", was eine Notunterkunft für bis zu 8 Jugendlichen ist. Dort erhalten die Jugendlichen, die ansonsten auf der Straße schlafen müssten, ein kleinen eigenen Raum mit Bett und Schrank, sowie eine warme Mahlzeit. Während meiner Zeit habe ich an beiden Standorten gearbeitet. Wobei mir die Arbeit im "shelter" besser gefallen hat, da man eine kleinere Gruppe hat, mit der man arbeitet. Somit kann man die Jugendlichen besser kennenlernen, und man hat eine deutlichere Routine auf der Arbeit.
Für mich war der Auslandsaufenhalt ein Realitätscheck. Jeder der Jugendliche hat seine/ihre eigene Geschichte. Von "meine Eltern sind als ich 13 war gestorben und meine restliche Familie wollte mich nicht aufnehmen" bis zu einem 24 jährigen Vater, der frisch aus dem Gefängnis kam, war alles dabei. Der Großteil der Jugendlichen war nett und offen, aber man hat deutlich gemerkt, dass die wenigsten in einer stabilen und gesunden Atmosphäre aufgewachsen sind. Manche Tage haben sich angefühlt, als würde man mit einer Wand reden, weil einige der Jugendlichen nichts und niemanden an sich herangelassen haben. Umso schöner waren die Tage, wenn man das Feedback von den Jugendlichen bekommen hat, dass ich, ein 20 jähriger Freiwilliger, ihnen weiterhelfen konnte. Einer dieser Momente war ca 6 Monate nach dem Beginn meines Auslandsaufenthaltes. Eine junge Frau kam zum "shelter", um ein Dach über dem Kopf zu bekommen. Sie blieb dort mehrere Monate, bis sie eine andere Unterkunft fand. Sie hatte schon länger große persönliche Probleme wegen ihres sehr geringen Selbstwertgefühls. Nach mehreren Gesprächen in einem Zeitraum von 6 Wochen berichtete sie mir, dass es ihr besser gehe. Ich sei einer der Gründe dafür. Sie habe schon seit Längerem niemanden gehabt, der ihr tatsächlich zugehört habe und dem sie sich anvertrauen könne. Es sind genau diese Momente, die mein Auslandsjahr zu dem gemacht haben, was es war.
Rückblickend bin ich sehr dankbar für all die Erfahrungen, die ich sammeln durfte. Es war eine sehr intensive, dabei auch nicht immer einfache Zeit, aber eine, die sich gelohnt hat.
Wer sich noch mehr mit dem Angebot der Stiftung Ökumenisches Lernen informieren möchte: oekumenisches-lernen.de