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04.04.2020 Kategorie: Corona, Gemeinde Startseite, Gemeindeleben, Kinder und Jugend, KV Wahlen, Schulkinder

#sonntagswort

Heute von unserer Prädikantin und Vorsitzenden des Kirchenvorstandes Birgit Eilts

Habe ich schon erzählt, dass ich jetzt Großmutter bin? Mein Enkel heißt Max! Max ist jetzt acht Monate alt, was heißt, er kann krabbeln und jede Menge Blödsinn anstellen. Er blickt den ganzen Tag äußerst fröhlich in die Welt, die ihm so unendlich viel Neues bietet. Max stört Corona ziemlich wenig. Er kommt weiterhin an die frische Luft, schläft, erfreut sich an allem was ihm in den Weg kommt und ansonsten ist seine Welt sowieso ziemlich klein.

Wie schön, denke ich, wenn ich Max sein könnte. Wenn meine Welt, die jetzt so klein geworden scheint, mich mit voller Zufriedenheit erfüllen würde. Aber meine Welt ist nicht zufrieden. Meine Welt besteht aus vielen, vielen Mandanten, die diese Krise nur mit übernatürlichem Engagement überleben werden. Denen die Existenz unter den Füßen weggerissen wird. Und da sind öffentliche Zuschüsse und Kredite wichtig, doch ob das reichen wird, vor allem, wenn sich die Krise noch weiterhin hinzieht, wird die Zeit zeigen. Und an all dem hängen Familien, und daran hängen Kinder und daran hängt der zukünftige Konsum, und daran hängt - ja daran hängt unendlich viel.

Wie schön, denke ich, wenn ich Max sein könnte. Für ihn ist seine kleine Welt unendlich groß. Sie ist voller Wunder.

Und Wunder wünsche ich mir gerade. Ich wünsche mir, dass wir alle wieder jubeln könnten jetzt am Palmsonntag, so wie damals die Menschen beim Einzug Jesu in Jerusalem. Dabei vergesse ich gerne, dass die Menschen nicht Halleluja gerufen haben, sondern Hosianna, Hilf doch!

Hilf doch! Und die Menschen haben dabei alles auf den Weg ausgebreitet, was sie vorfanden. Zweige von den Bäumen und ihre Kleidungsstücke, die sie am Leibe trugen. Sie haben einen Weg bereitet, aber vor allem haben sie sich dabei selber entkleidet. Haben Teile Ihres Lebens auf den Weg geworfen.

Die Menschen zur Zeit Jesu hatten tiefergreifende Hoffnungen und Wünsche. Von der Besatzungsmacht der Römer bedrückt, lag eine Sehnsucht nach Veränderung in der Luft. Hilf doch!

Und das alles haben sie ausgebreitet vor einem, der auf einem Esel in die Stadt reitet. Vor einem, dessen Füße den Boden berühren, und nicht hoch am Himmel schweben. Der, der selbst schmutzig, voller Staub und Schweiß ist. Einer, der die Lebensgeschichten derer kennt, über deren Kleidung er gerade reitet. Die Menschen haben das Alte weggegeben, was bis dahin zu ihnen gehörte. Hosianna, Hilf doch! Damit etwas Neues beginnen konnte.

Und das etwas Neues werden kann, das ist meine große Hoffnung. Denn neben all dem, was an Schlimmen gerade geschieht, gibt es immer wieder kleine und große Wunder. Wir entwickeln einen nie geahnten Zusammenhalt in dem wir den Abstand wahren. Unsere persönliche Welt scheint kleiner geworden zu sein, aber nicht unbedingt ärmer. In Deutschland sind die Empathie und Solidarität groß. Um sich gegenseitig zu helfen finden sich viele Menschen in den sozialen Netzwerken und in der Nachbarschaft zusammen. Da wird auf andere geachtet, da bricht sich Phantasie überall Bahn. 

Und unsere Politik und die Zentralbanken reagieren auf die Krise mit einer bis dahin nicht gekannten Geschwindigkeit, um steuerliche Anreize zu setzen und die Krise abzufedern.

Ich glaube, dass wir, jenseits aller Zahlen, verändert aus dieser Zeit herausgehen werden. Ich jedenfalls kann schon jetzt nicht mehr einfach anknüpfen an davor. Zuviel hat sich verändert.

Wenn wir am Ende auf den Weg zurückblicken, blicken wir sicher auch auf all das, was wir in der Hoffnung auf Veränderung auf den Weg geworfen haben. All die Dinge, die bis dahin ganz selbstverständlich zu unserem Leben gehörten. Dinge, bei denen ich mich frage, ob ich sie wirklich brauchte? Manches werden wir vermissen, voller Schmerz, Tränen und Wut. Aber sicher werde ich nicht alles vermissen, sondern im Gegenteil.

Wir stehen erst am Anfang der Karwoche. Und manchmal spricht vieles dagegen, das am Ende Ostern und die Auferstehung steht. Es spricht ja auch so vieles dagegen, überhaupt daran zu glauben.

Doch dann beobachte ich Max und versuche die Welt mit seinen Augen zu sehen, voller großer und kleiner Wunder. Gerade jetzt in dieser Zeit, in der die Luft wärmer und weicher wird, ein Hauch von Frühling sich Bahn bricht, finde ich es fast unmöglich nicht an Wunder zu glauben und an einen Gott, der seinen Traum in unsere Welt trägt.

Und ich überlege, welche der alten Kleidungsstücke ich auf den Weg werfen soll – und sie auch dort belassen!

Beitrag von Birgit Eilts